Die Diskussion ist so alt wie das Radfahren und wird doch heftiger: Wie haltet ihr es mit der Benutzung von Radwegen? Fahrt ihr immer darauf oder nehmt ihr die Straße, wo die Benutzung des Radweges nicht vorgeschrieben ist? Das Thema ist in jüngerer Zeit wieder virulent geworden: weil die Radwege für zügiges Fahren und Vorankommen meist zu schlecht sind, weil sie immer voller werden. Berlins Radwegenetz ist mit dem Ansturm der Radfahrer an vielen Stellen überfordert.
Wer mehr Rad fährt, sieht mehr Probleme
Früher habe ich mir über das Fahren auf der Straße keine Gedanken gemacht – ich habe sie nicht benutzt. Radfahren war das Mittel, um von A nach B zu kommen. Es waren meist kurze Strecken, für längere Wege nahm ich die U- oder S-Bahn. Doch seit einigen Jahren fahre ich viel mehr Fahrrad. Und da fällt einem einiges auf. Zum Beispiel, dass man als Radfahrer dem Gesetz nach ein gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer ist, der den Radweg nur dort benutzen muss, wo das auch auch vorgeschrieben ist (von der Sinnhaftigkeit will ich hier mal zu schweigen), dass die Autofahrer aber meinen, die Radfahrer sollten sich gefälligst auf den schmalen Streifen bewegen, die man den Bürgersteigen abgezwackt hat. Wer viel fährt, merkt schnell: Der vielerorts schlechte Belag, wackelnde Radwegplatten, Wurzelaufbrüche, Baustellen, auf Radwegen parkende Autos sind keine Freude. Also fahre ich auf der Straße, wo es erlaubt ist (und manchmal auch da, wo es nicht erlaubt, damit mir nicht meine letzten Kronen noch aus den Zähnen fallen).
Wo bleibt die Toleranz im Verkehr?
Leider ist man auf der Straße nicht gern gesehen: Wir Radfahrer machen den Autofahrern das angestammt Reich streitig – so wird es hinterm Lenkrad empfunden. Und dann wird gehupt und geschnitten, es wird in bester preußischer Schulmeistermanier geschurigelt, ermahnt, gepöbelt. Dabei sollten die Herren Autofahrer einfachmal zur Kenntnis nehmen: Die Straße gehört ihnen nicht alleine. In anderern Ländern ist man relaxter. In Italien oder Frankreich habe ich so aggressives Verhalten von Autofahrern nie erlebt.
Mehr und bessere Radwege für Berlin
Gerade hat der Senat von Berlin festgestellt, dass der Radverkehr seit 2001 um 44 Prozent gestiegen ist ist. Wenn es Berlin ernst meint, Fahrradstadt werden zu wollen, dann müssen die Radwege schleunigst ausgebaut, verbreitert und verbessert werden. Sonst nimmt der tägliche Kleinkrieg weiter zu. Und wenn es neue Radwege gibt, dann bitte schön auf der Fahrbahn. Weiße Farbe auf schmalem Verbundsteinpflaster reicht nicht.
Fahrbahnbegleitende Radverkehrsanlagen sind i.d.R Mist: Gefährlich, von schlechterer Qualität, mit überraschenden Schikanen und Radverkehrsführungen die einen hinführen, wo man gar nicht hin möchte. Fahrbahnbegleitende RVA haben nur einen Vorteil: Man kann an den stauenden Kraftfahrern langsam vorbeifahren.
Ich will mich nicht mehr gefähhrden als notwendig, also fahre ich dort nicht, sondern lieber mitten auf der Fahrspur, wie ich es auch mit dem Motorrad täte. Dabei stellte ich dann auch fest, das die Konflikthäufigkeit trotz der gelegentlichen aggressiven Engüberholer, Belehrer und Nötiger geringer ist als auf den fahrbahnbegleitenden Radverkehrsanlagen. Man kann auch in unbekannten Gegenden darauf vertrauen, das Schilder dort nicht stehen, Ampeln oder Lichtmasten in mindestens 50cm Abstand eingebaut sind, der Fahrbahnbelag ordentlich ist, Umleitungen ausgeschildert und keine Bettelampeln ‚Bitte absteigen‘, Schilder und Treppen in der Radverkehrsführung vorhanden sind. Man kann türbreit Abstand einhalten und die Randbereiche mit Ein-und Ausfahrten besser einsehen. Ausfahrende Kraftfahrer versperren gerne Rad- oder Gehweg, aber die Fahrbahn seltener. Es ist einfach entspannter und man kann bequem und zügig auf Fahrbahnen fahren. Auch das (Links-)Überholen langsamer Verkehrsteilnehmer ist kein Problem, da kein Bordstein im Wege ist. Gerade mehrstreifige Fahrbahnen sind da besonders entspannt, weil ein ordentliches Überholen von Leuten, die schneller fahren wollen, über die 2. oder 3. Spur immer möglich ist.