Auch wer als Radfahrer ohne Helm schuldlos in eine Unfall verstrickt wird, hat nicht automatisch eine Teilschuld, nur weil er ohne Helm fuhr. Das hat der Bundesgerichtshof am Dienstag entschieden. Damit revidierte der BGH ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom Juli 2013, das einer Radfahrerin eine Mitschuld von 20 Prozent an einem Unfall attestiert hatte, da sie keinen Helm getragen hatte.
Plötzlich öffnete sich die Autotür
In dem konkreten Fall war eine Radfahrerin im Jahr 2011 auf einer innerstädtischen Straße mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit, als eine Autofahrerin die Tür öffnete. Die Radfahrerin stürzte darüber und zog sich schwere Schädel-Hirn-Verletzungen zu. Eine Mitschuld könne der Radlerin nicht gegeben werden, so der BGH am Dienstag zur Revision der Klägerin, weil das Tragen eines Helmes für Radfahrer nicht vorgeschrieben sei. Zwar könne einem Geschädigten grundsätzlich Mitschuld auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften zugeschrieben werden, „wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt“. Dies wäre in dem Fall nur gegeben gewesen, wenn das Tragen eines Helmes nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein erforderlich und zumutbar gewesen wäre. „Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben“, so der BGH.
Kein Freifahrschein für Helmverzicht
Man sollte das Urteil allerdings nicht als Freifahrschein für das Fahren ohne Helm betrachten. Der BGH erwähnt einschränkend, dass über das Tragen eines Helms „in Fällen sportlicher Betätigung“ des Radfahrers nicht zu entscheiden war. Für Rennradfahrer könnte so ein Fall also durchaus anders ausgehen. Und ob die Bedeutung des Helms heute im Vergleich zu 2011 nicht anders beurteilt wird, ist auch noch nicht entschieden.