Es beginnt mit einem Klassentreffen. Im Odenwald, zwischen Heidelberg und Würzburg, treffen wir ehemalige Grundschüler uns, ich habe Zeit und will danach von Heidelberg mit dem Rennrad zurück nach Berlin fahren. Das Wetter soll gut zu werden, die Strecke ist bis auf eine Passage durch die Rhön eher flach – also los geht’s zur Radtour von Heidelberg nach Berlin.
Radtour von Heidelberg nach Berlin: Fahrrad im ICE
Angereist nach Heidelberg bin ich mit dem ICE, in dem man neuerdings auch Fahrräder mitnehmen kann. Auf größeren Andrang ist die Deutsche Bahn aber noch nicht eingerichtet: Gerade mal drei Räder hatten in dem Zug Platz. Familienausflüge sind so nicht machbar – da muss die Bahn nachbessern.
Radtour von Heidelberg nach Berlin: das Fahrrad
Ich bin mit einem „Gravel-Bike“ unterwegs, einem Diverge von Specialized. Das Gepäck steckt in einem 16,5 Liter großen Seatpack von Ortlieb und einen kleinen Rucksack für Geld, Karten, Handy, Fahrradbrille. Die Ortlieb-Lenkertasche habe ich nach dem Kauf wieder zurückgegeben – ich konnte mich mit dem Gefummel am Rennradlenker nicht anfreunden. Außerdem wurde das Vorderrad für meinen Geschmack zu schwer. Auf dem Rad sind 28 mm breite Reifen von Continental. Die reichten auch für einige steinige Passagen auf dieser Radtour von Heidelberg nach Berlin.
Radtour von Heidelberg nach Berlin: Strecke und Navigation
Für die Strecke habe ich Karten vom ADFC und die Navigations-App Komoot benutzt. Komoot benutze ich seit langem, und bin damit sehr zufrieden. Die Routenplanung ist exakt und detailgenau, auch wenn sie auf dem Handy etwas fummelig ist, vor allem bei der Umplanung der Strecke. Man sieht den Höhenverlauf, die Oberflächenbeschaffenheit und vieles mehr. Mir fiel allerdings auf, dass die Sprachausgabe und die grafische Darstellung manchmal nicht synchron waren – vielleicht infolge von GPS-Empfangsschwächen.
Radtour von Heidelberg nach Berlin: das Gepäck
In den 16,5 Liter fassenden Sack von Ortlieb habe ich dann hineingestopft:
- zwei Radhosen
- zwei Unterhosen
- zwei Paar Strümpfe
- zwei kurze Trikots
- zwei Funktionsunterhemden
- zwei langärmlige Funktionspullover
- ein Handtuch
- Regenhose
- Regenjacke
- Überschuhe
- Beinlinge
- lange Handschuhe
- Windjacke
- Handtuch
- Kulturbeutel mit Rasierer, Zahnbürste, diversen Salben
- Mini Tool, Schlauch, Luftpumpe
Radtour von Heidelberg nach Berlin : 1. Etappe
Die erste Etappe führte von Heidelberg nach Bruchköbel bei Hanau, wo ich bei Freunden übernachtete. Die Strecke entlang der Bergstraße verlief bis Darmstadt auf Radwegen, dann auf Landstraßen und durch die Städte – bei viel Autoverkehr eher unangenehm. Länge: 113 km
2. Etappe von Bruchköbel nach Fulda
Die zweite Etappe begann im Nebel: Der Herbst war endgültig ins Land gezogen und hatte die Gegend um Hanau in ein diesiges Morgenlicht getaucht. Die ersten Kilometer verliefen auf der Landstraße – ich brauchte Licht, um gesehen zu werden. Nach einiger Zeit wurde die Strecke aber immer besser – ich war auf dem Radweg R 3, der vom Rheingau in die Rhön führt. Was soll ich sagen? Ein Gedicht von einem Radweg! Durchgängig asphaltiert und breit genug zum Überholen oder Einander-Entgegenkommen führt er durch die wunderbare Landschaft des Kinzigtals. Das Fachwerkhaus-Städtchen Gelnhausen ist einen Besuch wert. Man kommt an malerischen Dörfern, Schlossruinen oder etwa dem Brüder-Grimm-Hasus in Steinau vorbei. Und für die Rast gibt es immer wieder mal ein hübsches Plätzchen, etwa an der Kinzigtalsperre. Über hügelige Passagen erreicht man schließlich Fulda.
Länge: 101 km
3. Etappe: Fulda – Eisenach
An diesem Tag ging es etwas bergauf, nur drei bis vier Prozent, aber immerhin. Der Weg führt weiter auf dem schönen R 3, der nun einer stillgelegten Trasse der Rhönbahn folgt und durch den Milsebergtunnel verläuft. Er ist rund 1,2 Kilometer lang und vom 1. April bis 31. Oktober geöffnet (es gibt eine Umfahrung, die allerdings vier km lang ist). Hinter dem Tunnel kommt der schönste Teil der Strecke: Bis Schlüchtern geht es immer leicht bergab. Ich bin über Tann und dem schönen Städtchen Geisa nach Philippsthal, Gerstungen und Eisenach weiter gefahren. Die Strecke ist meist eben und führt an malerischen Stellen fast unberührter Natur in dem einstigen innnerdeutschen Grenzgebiet vorbei. Diese Etappe war die schönste der ganzen Tour. Bei Geisa befindet sich Point Alpha, bis zum Fall der Mauer einer der am weitesten vorgeschobenen Beobachtungsposten des US-Militärs in der Bundesrepublik. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte, die an die deutsche Teilung erinnert. Ich habe in Geisa einen Abstecher zu dem hübsch restaurierten Schlösschen gemacht, in dem sich die „Point Alpha Akademie“ befindet. Der Weg hoch zum Point Alpha war mir zu weit.
Länge: 123 km
4. Etappe: Eisenach – Schloss Ettersburg bei Weimar
Heute ging es nach Start mit Nieselregen auf der Strecke rauf und runter. Der Weg auf die Ettersburg bei Weimar ist hügelig. Aber die meist wunderbaren Radwege durch Felder und teils malerische Dörfer machen die Wadenarbeit wett. Allerdings ärgerte mich auch fehlende Wegführung an manchen Stellen: Die kleinen weißen Schildchen mit dem grünen Fahrrad drauf sind manchmal kaum zu sehen oder waren vergessen worden. An mancher Kreuzung irrte ich umher auf der Suche nach der richtigen Strecke. Ohne „Komoot“ wäre ich jedenfalls bei dieser Ausschilderung aufgeschmissen gewesen.
Ein Besuch der Gedenkstätte Buchenwald gehört zu dieser Tour dazu. Sie liegt etwas nordwestlich von Weimar. Es geht zum Schluss hier steil bergauf, bis zu 14 Prozent an einer Stelle, ansonsten sieben bis acht Prozent. Was soll man zu dieser Stätte der Gräuel noch sagen, die vom nationalsozialistischen Regime begangen wurden? Vielleicht das: Deutsche Gründlichkeit, wohin man auch schaut. Das Morden als organisatorische, architektonische und technische Herausforderung. Verbrennungsöfen von „Torf & Söhne“ aus Erfurt. Immerhin erinnert seit 2011 eine Ausstellung in Erfurt an die Ingenieure des Todes, die auch die Verbrennungskammern für Auschwitz herstellten. Wer das KZ, die Öfen und eine (nachgebaute) Genickschussanlage gesehen hat, der verneigt sich in Demut vor den Opfern jener Zeit – und kann nicht verstehen, wie man sie einen „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte nennen kann.
Schloss Ettersburg, von Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar zwischen 1706 und 1712 erbaut und später um ein viertes Gebäude erweitert, gehört seit 1998 zum UNSECO-Welterbe „Klassisches Weimar“: eine liebliche Anlage inmitten eines hübschen Parks, verspielt, malerisch, erhaben gelegen – ein wunderbarer Ort, um einen anstrengenden Tourtag ausklingen zu lassen.
Länge: 105 km
5. Etappe Schloss Ettersburg – Bad Lauchstädt
Eine Fahrt durch den Saalekreis, in dem man sich doch verloren vorkommt. Kleine Dörfer, viele große abgeerntete Felder, nichts Liebliches. Dazu hat mich heute das Radwege-Glück verlassen – fast nur Landstraßen. Zwar nicht so stark befahren, aber viele Lkw. Ein starker Wind, von der Seite, und es ging auf und ab.
Eine angenehme Überraschung bot dann das kleine Städtchen Bad Lauchstädt. Es nennt sich „Goethestadt“, hat ein Theater, und in dem war an jenem Abend mächtig etwas los. Der MDR übertrug eine szenische Lesung live, Politikprominenz hatte sich angesagt, es gab einen Sektempfang und Flutlicht vor dem Haus. Der Mitarbeiter des Landgasthofes, den ich darauf ansprach, erzählte auch gleich ganz stolz, man habe ja derzeit die Festspiele im Ort. Man soll die Provinz nie unterschätzen!
Länge: 72 km
6. Etappe: Bach Lauchstädt – Wittenberg
.Die Strecke führte heute durch Halle, und für Fahrradfahrer müsste man im Stadtnamen das „a“ erigentlich durch ein „ö“ ersetzen. So hundsmiserable Straßen – bis auf wenige Ausnahmen – habe ich noch nicht erlebt, vor allem im Zentrum. Wie man Radfahrer zwischen Straßenbahngleise zwingen kann, ist mir schleierhaftal. Der Weg nach Wittenberg war dann unspektakulär – es gab aber auch wunderbare Radwege, etwa um Bitterfeld herum entlang der ICE-Strecke. Vorbildlich!
Und Wittenberg entpuppte sich als hübsch restaurierte Stadt. Der Bereich um den Marktplatz mit seinen Geschäften und Gaststätten war von Touristen aus aller Herren Länder besucht – ein Verdienst des größten Mannes der Stadt, Martin Luther. Er soll ja 1517 seine 95 Thesen an der Schlosskirche angeschlagen haben. Heute gibt es (wegen eines Brandes) nur einen bronzenen Nachbau der Tür, die Thesen Luthers, die zur Reformation führten, sind darauf aber eingraviert.
Länge: 106 km
7. Etappe: Wittenberg – Berlin
Dieses Stück verlief meist auf der Bundesstraße – die allerdings in einigen Teilen auch von einem Radweg begleitet war. Man hat das Gefühl: Er reicht so weit, wie das Geld bei der Sanierung der Straßen nach dem Fall der Mauer reichte. Durchdacht ist das Ganze nicht. Highlight des Tages: Treuenbritzen mit dem kleinen Standbild für „Sabinchen“, das arme Frauenzimmer. Ein freundlicher Rückenwind blies mich zurück nach Berlin. Am Ende war die ganze Strecke nach meinem Fahrradtacho doch 700 km lang.
Länge: 80 km
Insgesamt: 700 km
Nachbetrachtung: Rennrad und Gepäck – geht das?
Rennrad und Gepäck: Das beißt sich eigentlich, denn mit dem Rennrad will man schnell fahren. Da ist jedes Gramm eins zu viel. Andererseits: Es kann regnen, man braucht vielleicht Wechselwäsche, Rasierzeug, eine Hose für abends etc. Also, um ein Mindestmaß an Gepäck kommt man nicht herum. Ich habe unterwegs meinen Rucksack mit überflüssigen Klamotten (zweites langes T-Shirt, Socken, Handtuch) nach Hause geschickt. Er war einfach zu unangenehm. Und mein Seatback war mir eigentlich auch zu schwer – im Wiegetritt kann man damit nicht wirklich fahren. Ich würde künftig noch mehr zuhause lassen (die Unterwäsche konnte ich immer über Nacht auswaschen) und suche derzeit noch eine kleine Fronttasche für Geld, Ausweis etc. Ach ja, die iPhone-Halterung von Toepeak zum Aufschrauben auf den Vorbau-Deckel war super!