Die Idee war schon etwas ausgefallen, schien aber durchaus machbar. Das Familientreffen sollte in diesem Jahr in Braunlage im Harz stattfinden – und warum nicht mit dem Fahrrad dorthin fahren? Von Berlin sind das 250 Kilometer. An zwei Tagen sollte das auch für uns zwei Hobbyradler zu schaffen sein. Wir, das sind unsere Tochter Henriette und ich. Es war auch ihre Idee, die Tour zu machen. Mit ihrem Rennrad erkundet sie gerne die Berliner Umgebung, und da schien ihr der Harz so abgelegen auch wieder nicht.
Also machten wir uns auf den Weg – an einem Donnerstag ging es los. Das Wetter war noch herbstlich-schön, auch wenn es morgen schon relativ frisch war. Und es war neblig – kurz außerhalb der Stadtgrenze schaltete ich vorsichtshalber mal das Rücklicht an. Über dem Hohen Fläming erschien am späten Vormittag gar die Sonne, ein Pullover konnte zum Gepäck wandern, und weil es in Brandenburg doch mehr gute Radwege gibt, als man sich das als Berliner vorstellen kann, machte die Fahrt auch richtig Freude. Dazu waren die Straßen kaum befahren, sodass man sich auch auf den Landstraßen ziemlich sicher fühlte.
Weil wir recht früh losgefahren waren – so gegen 9 Uhr -, hatten wir auch Zeit für eine Mittagspause in Bad Belzig. Urdeutsche Küche an schweren Holztischen hinter dicken Gardinen. Saugemütlich und irgendwie heimelig.
Die Strecke zog sich dann doch etwas hin, und wir waren froh, als wir am frühen Abend die Elbfähre bei Barby in Sachsen-Anhalt erreichten. 132 Kilometer waren es bis dahin gewesen. Wir übernachteten in einer Bett & Bike-Pension. Der obligatorische Italiener am Ort sorgte für eine hervorragende Verpflegung, und die passende Bettschwere hatten wir auch.
Nebel
Groß war unsereÜberraschung beim Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen. Da sah es nämlich so aus…
Der Herbst zeigte, dass er gekommen war, um zu bleiben. Aber die Sonne vertrieb den Morgendunst dann doch noch, und nach etwas 30 Minuten hatten wir uns auch wieder warm gefahren. Dieser zweite Tag war leider nicht ganz so schön wie der erste, weil wir um Halberstadt herum viel stark befahrene Landstraße hatten. Autos und viele Lkws fuhren ans uns vorbei, man musste schon starke Nerven haben. Richtige Rowdies gab es zum Glück nicht. Besser wurde die Strecke erst wieder am Harz – wenn auch steiler. Aber Anstiege gehören zum Radfahren dazu – auch wenn man aus dem flachen Berlin kommt. Und weil wir auf den Serpentinen bei Elbingerode kaum Autoverkehr hatten, war die 7-10%-Kraxelei fast ein Vergnügen. Oben angekommen konnte uns kaum mehr etwas schrecken, auch nicht der Umstand, dass der letzte Versorgungsposten vor Braunlage, ein Kiosk, gerade dabei war, zu schließen. Doch die Inhaberin machte für uns ein paar Extra-Minuten.
Was dem Städter immer wieder auffällt bei solchen Touren, ist der Umstand, wie schön es ist, einfach mal ein, zwei Stunden ohne Pause fahren zu können – keine Ampel hält einen auf, keine Kreuzung, man kann einfach dahinfahren und bei sich ankommen. Ja, ich finde, man kann es Meditation auf dem Rennrad nennen. Nach 115 km kamen wir am frühen Abend in Braunlage an. Ein Ort, in dem seit dem Mauerfall anscheinend die Zeit vorüber gezogen ist. Im Schatten der Geschichte hat er Patina angesetzt.