Wenn man mit Autofahrern im Büro sitzt, bleibt die Diskussion nicht lange aus: Müssen Radfahrer nicht auf Radwegen fahren? Oder dürfen sie einfach die Straße benutzen? Nicht nur die „Vorfahrt!-Hier-komme-ich“-Fraktion unter den Autofahrern schlägt dann auf die Radler ein, die auf der Straße fahren. Auch besorgte Kollegen melden sich zu Wort. Man möge doch bitte auf sich aufpassen und den Radweg benutzen. Man sei doch ein geschätzter Kolleg, und auf einer Beerdigung sei man erst vor kurzem gewesen.
Die Rechtslage ist eigentlich eindeutig. „Wenn es einen Radweg gibt, der durch Verkehrszeichen ausgeschildert ist, muss man ihn auch benutzen“, sagt Annette Kretschmann, Assistentin in der Bundesgeschäftsführung des ADFC. Das gilt unabhängig von der Art des Fahrrades. Also auch für Rennradler. Gleichwohl gibt es richterliche Einzelentscheidungen, die Rennradfahrer von der Radwegbenutzungspflicht ausgenommen haben. Sie dürften aber nicht verallgemeinert werden, warnt der ADFC (Details auf der Website).
Benutzungspflichtige Radwege müssen darüber hinaus fahrbahnbegleitend sein, d.h. nicht weitab von der Straße geführt werden, sie müssen die gleiche Vorfahrtsregelung wie die Fahrbahn haben und sie müssen benutzbar sein.
Erkennbar ist ein benutzungspflichtiger Radweg an den drei gezeigten Straßenverkehrszeichen (Fotos). Alle andere haben keine bindende Wirkung. Die Pflicht, den Radweg zu benutzen, erlischt, wenn das durch ein Schild angezeigt wird. Strittig ist, ob sie auch erlischt, wenn nach einer Querstraße das blaue Gebotsschild zur Radwegbenutzung nicht erneut aufgestellt ist.
Wann ist ein Radweg unbenutzbar?
Die spannende Frage ist aber: Was tun, wenn der Radweg nicht benutzbar ist? Darüber streiten sich die Geister. „Ob ein Radweg zumutbar ist, ist oft eine Glaubensfrage“, sagt denn auch Annette Kretschmann. Man liegt nicht falsch, wenn man einen Radweg als unzumutbar einstuft, den man auch durch die Anpassung des eigenen Verhaltens nicht mehr gut befahren kann. Dazu können zum Beispiel häufige Unterbrechungen des Radweges, ein dauernder Wechsel zwischen rechter und linker Straßenseite oder permanente Hindernisse wie Mülleimer oder Autos gehören. Auch ein im Winter nicht geräumter Radweg oder ein Weg, der mit Scherben überhäuft ist, gilt als unzumutbar. Allerdings: Wenn man das Hindernis auf der Straße umfahren hat, muss man auf den benutzungspflichtigen Radweg zurückkehren.
Die fragwürdige Sicherheit von Radwegen
Was in diesem Zusammenhang aber untergeht, ist die Frage: Sind Radwege überhaupt sicher und noch zeitgemäß? Wer sie benutzt, weiß, wie gefährdet man ist: Autofahrer übersehen einen, wenn sie rechts abbiegen, man wird von Fußgängern und Hunden ignoriert, an Bushaltestellen nicht beachtet, Kinderwagen werden auf Radwegen geschoben, die Fahrt darauf ist ein ständiges Stop-and-Go.
Und Radwege sind auf Geschwindigkeiten von ca. 15 km/h ausgelegt – das wird von der zunehmenden Zahler der „urban commuters“, den Berufspendlern, lässig übertroffen. Wäre es da nicht sicherer, man dürfte generell auf der Fahrbahn fahren?
Nachtrag (23. April)
Der ADFC sagt zu dem Thema: „Wir wissen inzwischen aus jahrelanger Erfahrung, dass das Fahren auf der Fahrbahn für Radfahrer sicherer ist“, so der Berliner Geschäftsführer Philipp Poll. Das wisse nach Kenntnis des ADFC auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Das Land sei gerade bei einer Bestandsaufnahme, welche Radwege noch als benutzungspflichtig ausgeschildert seien und ob die von der Straßenverkehrsordnung geforderte Gefährdungslage für die Anordnung der Benutzungspflicht von Radwegen noch gegeben sei. „Wir erwarten im Lauf des Jahres eine Welle weiterer Abordnungen der blauen Schilder“, sagt Philipp Poll (vgl. auch den Kommentar).