Radwegblockierer melden: Denunziantentum auf der Straße

Eins muss man der eingestellten „Straßensheriff-App“ lassen, die nun als „Wegeheld“ an den Start gegangen ist: Die Sensibilität für die Blockade von Radwegen durch Autos hat sie deutlich angehoben. Mitte März zog dann der ADFC mit der Kampagne „Radspuren frei!“ nach, die er zusammen mit dem BUND bis 30. Juni noch betreibt. Bis zu diesem Tag können Radfahrer auf der ADFC-Website www.radspuren-frei.de Radwege melden, die häufig von Autos zugeparkt werden. Der Verband will die Blockade-Schwerpunkte an die Polizei und die Ordnungsämter der Bezirke weiterleiten. Am Ende soll eine Liste von jenen Straßen erstellt werden, auf denen die Radwege am häufigsten blockiert werden. Auf diesen Straßen sollen dann Kontrollen stattfinden und gleichzeitig u. U. die Einrichtung von Lieferzonen gefordert werden. Damit will der ADFC offenbar das Stigma des „Anschwärzens“ vermeiden, das der Wegeheld-App anhaftet, gleichzeitig aber Flagge gegen Blockierer zeigen.

Wegeheld-App in Betrieb

Die App Wegeheld wird unterdessen offenbar reichlich genutzt. Sie ist seit Ende März für Android-Systeme als App erhältlich. Mit ihr können Radwegblockierer auf eine Karte hochgeladen werden, Fotos der Fahrzeuge direkt an die zuständigen Ordnungsämter weitergeleitet werden. Auch wenn Erfindern Heinrich Strößenreuther auf seiner Website www.wegeheld.org zur political correctness aufruft und mahnt, nicht jeden Reifen zu melden, der sich auf den Radweg drückt: Die Arbeit der Polizei sollten Bürger nicht übernehmen. Oder möchte jeder Radfahrer denn gerne Polizist spielen? Ich nicht. Ich finde, davon gibt es schon zu viele auf Berlins Straßen.

Dublin – Vorbild für Berlin?

Radfahrer in Dublin

Gehört nicht zu den lebensgefährlichen Hobbys: Radfahren in Dublin

Vor ein paar Tagen war ich in Dublin, Freunde besuchen. Sie wohnen etwas außerhalb, ruhig ist es da, fast dörflich, ich sah viele Leute auf Fahrrädern, die aus Dublin in die Vororte drumherum unterwegs waren. Sogar auf der Autobahn waren sie unterwegs, also nicht auf dem Auto-Fahrstreifen, aber auf einem Busstreifen am linken Straßenrand.

Respekt scheint hier kein Fremdwort zu sein

In Dublin war mehr Verkehr, die Stadt ist quirlig, manche halten sie für die angesagteste Partystadt Europas. Jedenfalls wird hier auch viel geradelt, die Radler-Szene ist lebendig, es gibt viele Fahrradläden, und wer etwas auf sich hält und jung ist, ist auf dem Rad unterwegs. Was mir auffiel: Ich habe an drei Tagen nur einmal ein Auto hupen hören: Das war ich, als ich am Flughafen mitten auf der Parkhaus-Ausfahrt stand und ein Foto machte.  Ansonsten hörte ich kein Hupen sondern erlebte einen ungewohnt respektvollen Umgang im Straßenverkehr. Einheimische meinten, das sei normal. Als Radfahrer müsse man sich nicht gedrängt oder belästigt fühlen. Bei einer Überlandtour bestätigte mir das mein Fahrer mit seinem Verhalten. Mögen die Iren auf dem Fußballplatz auch hat zur Sache gehen – als Radfahrer hat man es hier gut.

Radfahrer auf Fahrradstreifen in Dublin

Radfahrer auf Fahrradstreifen in Dublin

Radwege verdienen diesen Namen auch

Und was mir auch angenehm auffiel, waren Radwege in Dublin, die diesen Namen verdienen. Abgesetzt neben den Straßen verlaufen sie fast überall, keine Hoppelpisten, die man Bürgersteigen abgezwackt hat, sondern angemessen breite Radwege, meist auch mit gutem Asphalt. Vielleicht wäre Dublin ja mal einen Ausflug unserer Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wert.

Kampf dem toten Winkel: „Dersus Tag“ in Charlottenburg

Martin Keune, Initiator des Dersus-Tages in Charlottenburg    Link

Martin Keune, Initiator des Dersus-Tages  Link

Wir erinnern uns: Am 23. März 2004 starb der neunjährige Junge Dersu Scheffler unter den Rädern eines Lkws, der das Kind beim Rechtsabbiegen an der Charlottenburger Bismarckstraße übersehen hatte – leider kein Einzelfall in Berlin. Doch für Martin Keune, Inhaber einer Werbeagentur und selbst passionierter Radfahrer, war dieser Tod Anlass, sich für die Beseitigung des toten Winkels an Lastwagen einzusetzen. Er gründete die Aktion „Weg mit dem toten Winkel“.  Am Sonntag, den 23. März, macht er mit Aktivisten des Kiezbündnises Klausenerplatz, mit Vertretern des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf, Musikern und Freunden  an der damaligen Unfallstelle nun eine Kundgebung. „Dersus-Tag“ nennen sie ihre Veranstaltung für mehr Rücksicht und Sicherheit im Straßenverkehr.

Kundgebung am Unfallort

Mit der Kundgebung am Unfallort wollen Keune und das Kiezbündnis zum einen fragen, was sich seither in der Verkehrspolitik geändert. Ist der tote Winkel endlich tot? Es soll aber auch generell die Frage gestellt werden, ob Berlin eine fahrradfreundliche Stadt ist oder ob es vielleicht Zeit, dafür auf die Straße zu gehen. Musiker hat Keune auch mitgebracht, es gibt ein kleines Gedenkkonzert.

Sonntag, 23. März 2014, 16 Uhr, Bismarckstraße/Kaiser-Friedrich-Straße

Nackter Protest in Lima

Es wird zwar auch in Berlin langsam Frühling, aber ein so nackter Protest, wie ihn Lima in diesen Tagen erlebte, den kann man sich  an der Spree doch noch nicht vorstellen. Hunderte von Menschen fuhren auf ihren Rädern durch Perus Hauptstadt nackt oder nur spärlich bekleidet. Sie protestierten damit, gegen die Gefährdung von Radfahrern im Straßenverkehr. Die nackte Haut sollte die Verletzbarkeit des Verkehrsteilnehmers „Radfahrer“ symbolisieren. Eine Kollision mit Autos, Bussen oder Lkws könnte jederzeit zum Tode führen, sagten die Veranstalter. Das allerdings ist eine Gefährdung, die weltweit gilt – insofern könnte sich auch Berlin dieser Tradition anschließen.

Tradition seit neun Jahren

Der nackte Protest für ein bessere Beachtung der Radfahrer hat in Lima eine Tradition, die neun Jahre alt ist. Damit demonstrieren die Radfahrer für bessre Radwege und eine bessere Beleuchtung. In Lima kommen jährlich rund eintausend Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben. Die Aktion hat inzwischen fast Event-Charakter, Beachtung findet sie jedenfalls auch international.

Fahrradmonitor 2013 vorgestellt

Die Bundesregierung will die Infrastruktur für den Fahrradverkehr verbessern. Das kündigte die parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche bei der Vorstellung des „Fahrradmonitors 2013“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur an.  „Mein Anliegen ist es, gemeinsam mit allen Akteuren die Rahmenbedingungen für den Radverkehr noch weiter zu verbessern“, sagte Reiche. Laut der Erhebung des Ministeriums fordern die Bundesbürger vor allem sichere Abstellanlagen, gute Radwege und komfortable Radrouten. Um den Anteil am Modal Split zu erhöhren, müsste mehr Gewicht auf den Radverkehr gelegt werden, heißt es in dem Monitor.

Folgen der Ankündigung auch Taten?

Die Daten wurden im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans 2020 erhoben. Für den Fahrradmonitor 2013 hatte das Sinus-Institut 2000 Bürger zu ihrer Meinung über das Radfahren in Deutschland befragt. Ob der Ankündigung auch auch konkrete Taten folgen werden, darf aber leicht angezweifelt werden. Für die Unterhaltung der meisten Radwege sind die Länder und Kommunen zuständig – und denen fehlt oft das Geld für Investitionen in Radwege. Gerade hat der ADFC beklagt, dass nicht genügend für die Wartung der bei Touristen beliebten Radrouten getan werde.

www.http://Monitor 2013

ADFC fordert Pflege der Radwege

Radtour im ländlichen Raum    ADFC/Lehmkuehler

Radtour im ländlichen Raum                                    ADFC/Lehmkuehler

Der ADFC fordert von den Kommunen in der Bundesrepublik, mehr für die Pflege der Radrouten zu tun. Bei touristischen Radrouten gebe es einen „erheblichen Wartungs- und Investitionsstau“, stellt der Club in seiner aktuellen „Radreise-Analyse“ fest. Vielen Kommunen fehle schlicht das Geld, sich um die Wartung der Radpisten zu kümmern. „Zur dauerhaften Wartung und Pflege von Radrouten müssen Bund und Länder Finanzierungsmöglichkeiten schaffen“, sagt Raimund Jennert, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender.

Investitionen vor allem im ländlichen Raum nötig

Gut ausgebaute Radrouten seien gerade in wirtschaftlich schwächeren, ländlichen Regionen nötig, da hier der Radtourismus einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstelle. Hier offenbare sich nach ADFC-Analysen aber ein Teufelskreis: Wo es keine passablen Radrouten gebe, da entstehe auch kein Radtourismus. Dem müssten Bund und Länder abhelfen. Denn die Nachfrage, auch aus dem Ausland, nach Radtouren in Deutschland, gerade nach den ADFC-Qualitätsrouten, sei ungebrochen. Insgesamt gibt es 51 solcher Qualitätsrouten. Die Zahl der fahrradfreundlichen Bett & Bike-Übernachtungsmöglichkeiten beträgt 5500.

Radwege, die keine sind

Eng und holprig: eine als Radweg geltende Pflasterstrecke am Botanischen Garten  Link

Eng und holprig: eine als Radweg geltende Pflasterstrecke am Botanischen Garten      Link

Heute muss ich mal meckern, und zwar über die Verbindungen zwischen Steglitz und Zehlendorf: Die sogenannten Radwege sind eine Katastrophe.

Balanceakt am Botanischen Garten

Wer vom Steglitzer Kreisel nach Zehlendorf will, der wird von der stark befahrenen Straße Unter den Eichen weg auf einen schmalen Radweg gezwungen. Er führt an der Rückseite des Botanischen Gartens vorbei und verdient den Titel „Radweg“ nicht. Er ist schmal, Baumwurzeln haben die Gehwegplatten an vielen Stellen aufgeworfen, Fußgänger und Radfahrer kommen sich ins Gehege. Hier entlang zu fahren, ist eine Strafe. Besser wird es erst auf der Höhe des Asternplatzes. Dann hat der Radweg wenigstens eine normale Breite. Die Gehwegplatten sind dennoch ein Ärgernis.

Enger Radstreifen auf dem Hindenburgdamm

Kaum besser ist die Situation, wenn man entlang des Hindenburgdamms von Steglitz nach Lichterfelde in die Goerzallee fährt. Auch hier: ein enger Radweg, an vielen Stellen ist er uneben, an manchen Passagen so schmal, dass man gerade mal an der parkenden Autos vorbeikommt. Wird eine Autotür plötzlich aufgerissen, bleibt kein Platz zum Ausweichen. Erst ab der Appenzeller Straße wird es besser.

Investitionen in Radwege sind nötig

Man muss es einfach einmal sagen: Wenn Berlin den Anspruch hat, fahrradfreundlich sein zu wollen, dann muss die Stadt ordentlich in Radwege investieren, die diesen Namen auch verdienen. Vieles, was dem Radfahrer an der Spree unter die Räder kommt, ist schlichtweg eine Notlösung aus Zeiten, in denen man für Radfahrer Notfahrstreifen von den überbreiten Berliner Gehwegen abzwackte. Deren Qualität reicht vielleicht für 100-Meter-Einkaufsfahrten, aber nicht für Radverbindungen zwischen Bezirken. Die beiden Strecken sind dafür ein typisches Beispiel.

Schilderrätsel am Hauptbahnbof

 

Was will uns dieses Verkehrszeichen sagen?

Was will uns dieses Verkehrszeichen sagen?

Das neue Jahr ist gerade mal einen Tag alt, und schon gibt uns diese wunderbar-merkwürdige Stadt seltsame Rätsel auf. Wie dieses Verkehrszeichen. Gesehen haben wir es am Hauptbahnhof. Die Frage ist: Was will es uns sagen? Das Zeichen 250 verbietet die Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art. Autos sind davon aber an dieser Stelle ausgenommen, wenn wir die Schilderkombination richtig deuten. Aber warum stellt man für diese Selbstverständlichkeit an einer Straße ein Verbotsschild auf, das man dann wieder zurücknimmt? Oder gilt das Zeichen nur für Traktoren, Lkw, Kinderwagen mit und ohne Hilfsmotor sowie Fahrräder mit und ohne Elektroantrieb? Fragen über Fragen und keine Antworten. Das Jahr ist noch jung – wie soll das alles noch werden? Ich ahne Fürchterliches!

Radsicherheit in Berlin: Ergebnisse der Umfrage

Gefahrenpunkte für Radfahrer in Berlin laut der Senats-Umfrage

Gefahrenpunkte für Radfahrer in Berlin laut der Senats-Umfrage

Die Online-Umfrage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz „Radsicherheit in Berlin“ hat ein großes Echo gefunden. Über 5000 Hinweise, 4000 Kommentare und 22000 Bewertungen zu Konfliktsituationen im täglichen Radverkehr wurden abgegeben.

Auf der Website der Senatsverwaltung (siehe unten) ist eine Liste jener Abbiegekonflikte in Kreuzungs- und Einmündungsbereichen zu finden, die die Teilnehmer der Aktion besonders häufig nannten. An der Spitze mit 219 Unterstützern steht die Forderung, die Radwegbenutzungspflicht auf der Schönhauser Allee aufzuheben. Das erscheint verständlich, der Radweg ist dort meist wegen der Autos und Passanten unbenutzbar.

Auf Platz 2 folgt die Forderung nach der Vorfahrt für Radfahrer in der Linienstraße (206 Unterstützer). Platz 3 nimmt die Forderung nach Abschaffung der langen Rot-Phase an der Ampel vor dem Hotel Adlon ein, Platz vier die unüberschaubare und von vielen als grefährlich beschriebene Situation am Hermannplatz.

Erschreckende  Details der Radwegplanung

Es ist nicht einmal so sehr die erstaunliche Menge an Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen, die an der Aktion beeindruckend ist, sondern eher  die Nachlässigkeit und Ignoranz dem Radverkehr gegenüber, die sich an den Hunderten von Details zeigt, die von den Teilnehmern beklagt werden. Da führen Radwege in Kurven auf die Straße zurück (Weserstraße, Neukölln), da sind Radwege unbenutzbar, weil sie Dauer-Konflikte mit Autofahrern und Passanten hervorrufen, da wird man im Kreisverkehr permanent von Autos geschnitten (Kottbusser Tor). Die Senatsverwaltung wertet die Vorschläge nun aus, weitere Informationen sollen dann folgen. Den Newsletter kann man auf der Website abonnieren. Es gibt viel zu tun – hoffen wir, dass es zügig angepackt wird!

https://radsicherheit.berlin.de/topliste

Straßensheriff-App offenbar gescheitert – leider?

Da wünscht man sich die Sheriff-App: Blockade am Messedamm   Foto: Link

Da wünscht man sich die Sheriff-App: Blockade am Messedamm                     Foto: Link

Die App einer Berliner Initiative, mit der Falschparker auf Radwegen an Ordnungsämter gemeldet werden sollten, ist offenbar vorerst gescheitert. Wie der Tagesspiegel berichtet, sei die Entwicklung der „Straßensheriff-App“ eingestellt worden, weil die benötigte Summe über das Crowd-Funding nicht aufgebracht werden konnte. Die Entwickler um den Initiator Heinrich Strößenreuther wollten laut Medienberichten jedoch an dem Vorhaben weiter arbeiten.

Die App sollte es Radfahrern ermöglichen, von Autos, die auf Gehwegen parkten, Fotos zu machen und sie auf eine Platform hochzuladen. Hartnäckige Parksünder sollte die App erkennen können – in diesem Fall war auch angedacht, die Ordnungsämter der Bezirke  zu informieren. Der Bezirk Pankow hatte sich jüngst dem Projekt gegenüber aufgeschlossen gezeigt.

Datenschützer wollte Stellungnahme anfordern

Allerdings gab es auch Kritik an dem Vorhaben. Der Berliner Datenschützer Alexander Dix wollte bei den Entwicklern eine Stellungnahme anfordern. Im Netz wurde die Initiative kontrovers diskutiert. Kritik gab es daran, dass sie zum Denunziantentum ermutige, Befürworter versprachen sich freiere Radwege.

Der Stadtradler meint: Ziviler Umgang miteinander beruht auf Freiwilligkeit, auch im Verkehr. Wir brauchen nicht mehr Freizeit-Polizisten, sondern mehr Rücksichtnahme. Die bekommt man nicht mit einer App, sondern mit der richtigen Haltung.

P.S. Kaum hatte ich den Beitrag veröffentlicht, erlebte ich die auf dem Foto gezeigte Situation – wie um meine Meinung Lügen zu strafen. Vor dem ICC hielt eine Schlange an Kleinlastern auf dem Radweg. Ich war verärgert, zumal sich einer der Fahrer, den ich ansprach, nicht im geringsten einsichtig zeigt. „Ich arbeite hier, da muss ich mich nicht an die Verkehrsregeln halten“, war seine Antwort. Offenbar kehrt die richtige Haltung doch nicht ohne Zwang ein – oder wie seht ihr das?